„Eramus enim vagi et errantes…“ – Schüler forschen über Vespucci

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Nach der Lektüre von Amerigo Vespuccis „Mundus novus“ hatten die Schüler aus Latein 9 und Alt-Griechisch II viele offene Fragen. Antworten fanden sie auf einer Exkursion nach Hamburg.

Die Lektüre eines lateinischen Textes lässt zuweilen mehr Fragen aufkommen, als sie Antworten bietet. Das klingt paradox, erklärt sich aber daraus, dass sich Textsinn in Lesestufen konstituiert – Erstaunen, ständiges Weiterfragen und Kritisieren sind die entscheidenden Mittel dafür, in die Tiefe eines Textes vorzudringen und sich einem nur oberflächlichen Andienen zu entziehen.

IMAG4361Konkret hat dies im vergangenen Schulhalbjahr der Lateinkurs des neunten Jahrgangs erfahren. Die Schüler nahmen sich der Lektüre eines lateinischen Briefes aus dem Jahre 1503 an: Amerigo Vespucci, der im Auftrag des portugiesischen Königs eine Entdeckungsfahrt in die „Neue Welt“ unternommen hatte, berichtet hierin der gelehrten europäischen Öffentlichkeit über die Erfolge seiner Seereise in das bis dahin unbekannte Südamerika.Der Brief wurde sofort ein Bestseller! Vespucci schreibt leicht und amüsant. Er vermittelt dem Leser das Leben an Bord und die Fährnisse der Überfahrt so lebensnah, dass man glaubt, dabei gewesen zu sein.

Frontispiz der lateinischen Übersetzung von 1503

Und doch birgt seine Lektüre – mehr als fünfhundert Jahre später – einige Probleme: So fällt es uns heute schwer, die Bedeutung der Navigationskünste einzuschätzen, über die ein Mann wie Vespucci verfügen musste, um über einen unbekannten Ozean zu segeln. Wie muss man sich die nautischen Geräte vorstellen, die er vorgibt, als einziger benutzen zu können? Können wir ihm jedes Wort glauben, wenn er die Eingeborenen Südamerikas als wollüstig und inzestuös beschreibt? Und überhaupt wirft der überlegene Ton, in dem der europäische Entdecker von den friedlichen Völkern berichtet, die Frage auf, wie die Begegnung zwischen den beiden Kontinenten wirklich stattgefunden hat.

Antworten auf diese Fragen fanden die Schüler dann nicht mehr allein im Text, es bedurfte der Recherche und weiterer Lektüre. Aber auch hier stießen sie auf Grenzen, und es wurde notwendig, weitere Experten zu befragen und Realien zu studieren. Daher entschieden wir uns für eine Exkursion in das Internationale Maritime Museum Hamburg.

Durch eine gezielt auf unsere Thematik abgestimmte Führung war es uns möglich, die Vespuccis Reise in den Kontext antiker und frühneuzeitlicher Eroberungs- und Entdeckungsreisen einzuordnen. Nautische Instrumente wie Sextant und Astrolabium waren vor Ort viel leichter zu verstehen und sogar anzuwenden. In der Kulturbegegnung der Europäer mit fremden Völkern konnten wir einen roten Faden erkennen, der sich bis in die Gegenwart zu ziehen scheint.

In dem Bewusstsein, dass Neugier, Entdeckergeist und Wagemut nicht nur für den Lauf der Geschichte, sondern auch für unsere eigene Erkenntnis eine wichtige Rolle spielen, folgten wir dem Thema bis in die Antike: Am Nachmittag wurden wir durch das Museum für Kunst und Gewerbe geführt, in dem der Kulturtransfer zwischen Römern, Griechen und Barbaren im Mittelpunkt stand. Der gegenseitige Einfluss ließ sich allenthalben ausmachen, wurde am eindrücklichsten jedoch bei der Betrachtung und Analyse der griechisch-römischen Portraits. Abschließend nutzten wir – eigens auf Wunsch der Schüler – die wenige noch verbleibende Zeit zur Besichtigung der wertvollen Renaissance-Abteilung.

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Diese Exkursion hat uns ein tieferes Verständnis von Vespuccis Brief verschafft. Viele Fragen wurden beantwortet. Darüber hinaus aber haben wir Muster erkannt, die bei Kulturbegegnungen zu allen Zeiten wiederzukehren scheinen. Wenn wir jetzt Caesars Gallischen Krieg lesen, finden wir viele davon wieder. Und schon nach dem ersten Kapitel haben wir – sehr viele Fragen.

 

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