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Im Interview: Die Projektgruppe Familie Moses zur Verleihung des Rotenburger Preises für Erinnerung und Zukunft

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Die PreisträgerInnern von links nach rechts: Leonie, Jonas, Justus, Jesse und Julius

Hallo! Ihr, Leonie, Julius, Jesse und Jonas, habt am vergangenen Donnerstag in der Kirche „Zum Guten Hirten“ den Rotenburger Preis für Erinnerung und Zukunft erhalten. Wie habt ihr den Abend erlebt?

LEONIE: Es war natürlich eine große Ehre den Preis zu erhalten. Heribert Prantl, ein Journalist von der Süddeutschen Zeitung, war auch da und hat die Festrede gehalten. Ich war auch sehr beeindruckt von Hate-Aid, dem Hauptpreisträger, der sich gegen Hate Speech im Netz engagiert. Da war es eine große Ehre, auch Preisträger zu sein.

JONAS: Ich bin ja erst seit diesem Jahr dabei. Es war auf jeden Fall spannend, zu sehen, was diese Projekt-Gruppe schon alles geschafft hat. Mich hat die Rede von Herrn Prantl auch beeindruckt, seine Anrede an uns war: „Liebe Europäer! Liebe Demokraten!“

JULIUS: Es waren auch ganz verschiedene Menschen bei der Preisverleihung anwesend. Zum Einstieg wurde ins Publikum gefragt, wer denn noch Erinnerung an die Zeit vor 1945 habe, wer unter dreißig sei usw. Da haben wir gesehen, dass ganz verschiedene Menschen sich für die gleiche Sache einsetzen, nämlich Demokratieförderung.

Jesse, Jonas, Julius und Jonas, ihr habt die Projekt-AG um die Stolpersteine für die Familie Moses von jetzigen Abiturientinnen übernommen. Was hat euch zur Mitarbeit bewogen?

JONAS: Ich möchte die Erinnerung wachhalten, denn die Erinnerung an die Vergangenheit ist wichtig.

JUSTUS: Ich wollte mich engagieren, weil ich mich sonst noch nirgendwo engagiere. Ich finde, jeder sollte sich engagieren, denn die NS-Zeit soll sich nicht wiederholen.

JESSE: Bei der Gedenkfeier zu Ehren der Familie Moses im letzten Februar habe ich gesehen, dass eine kleine Schul-Projektgruppe schon viel bewegen kann. Die aktuelle politische Lage zeigt: Man muss etwas machen, vor allem wir jungen Menschen, weil es ja um unsere Zukunft geht.

Im vergangenen Februar haben wir als Schulgemeinschaft die Verlegung der Stolpersteine für die Familie Moses begleitet. Nach der Stolperstein-Verlegung ist die Arbeit doch getan, oder?

JESSE: Nein, natürlich nicht. Die Arbeit geht weiter, das Projekt Moses geht weiter. Wir möchten, dass die Familienangehörigen aus Wuppertal auch Stolpersteine bekommen.

Fr. LAMMERT: Jemand muss sich doch verantwortlich fühlen, auch für andere Orte. Wir haben gesehen, dass es in Wuppertal noch keine Stolpersteine für die Angehörigen der Familie Moses gibt. Deshalb möchten wir sie gerne verlegen.

LEONIE: Ich denke, dass Gedenken kein Prozess ist, der irgendwann abgeschlossen ist. Man kann immer noch mehr tun, um die Erinnerung hochzuhalten. Wir möchten mehr über die Familie Moses herausfinden und noch mehr für ihr Andenken tun.

Was hat denn für euch die Zukunft mit der Erinnerung an vergangenen Schrecken zu tun? Schließlich wollt ihr doch positiv in die Zukunft blicken, oder?

JULIUS: Wir möchten dafür stehen, dass sich die Nazizeit nicht wiederholen darf. Wir jungen Menschen können aus der Vergangenheit lernen, dass auch demokratisch gewählte Parteien gegen die Demokratie handeln können. Solche Parteien, die die Demokratie vielleicht sogar abschaffen wollen, sind sehr gefährlich. Das müssen auch wir JungwählerInnen lernen.

JONAS: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, man muss sie verteidigen, zum Beispiel im Internet. In diesem Zusammenhang hat mich die Arbeit von Hate-Aid beeindruckt: Wenn einem Hasskommentare im Netz begegnen, sollte man freundlich bleiben, aber immer sachlich gegen Fake News argumentieren.

Fr. LAMMERT: Ja, genau. Die Geschäftsführerin von Hate-Aid, Anna-Lena von Hodenberg, sagte bei der Preisverleihung, dass sehr viele Menschen im Netz verstummen, weil bestimmte AkteurInnen im Netz Menschen bedrohen und zum Verstummen bringen wollen. So breitet sich Misogynie und Demokratiefeindlichkeit aus. Medien, die von Tech-Milliardären finanziert werden, werden in diesem Zusammenhang zu einem Problem für die Demokratie.

Ihr sollt ein Preisgeld von 1000 Euro für eure weitere Arbeit erhalten. Welche Projekte möchtet ihr in Zukunft finanzieren?

LEONIE: Wir setzen das Geld für die Stolpersteinverlegung in Wuppertal und Berlin ein. Auch die Schicksale dieser Familienmitglieder wollen wir nicht totschweigen, weswegen wir uns auch für die Stolpersteine in Berlin engagieren möchten. Es soll auch weitere Gedenkveranstaltungen im Zuge der Stolpersteine geben.

Fr. LAMMERT: Im kommenden Schuljahr möchten wir die vielen historischen Informationen, die wir in den letzten Jahren zusammengetragen haben, aufbereiten und veröffentlichen. Es könnte zum Beispiel eine App entstehen, die BesucherInnen in Sottrum als Informationsquelle dient.

Eine Maßnahme zur Demokratieförderung ist nach Prantl „eine Prise Demokratie“, wie er in der Festrede sagte. An unserer Schule war die diesjährige Schilf (schulinterne Lehrerfortbildung) eine Schif (schulinterne Fortbildung). Das heißt, dass auch die SchülervertreterInnen in den Prozess mit einbezogen werden sollten. Aus eurer Sicht eine Maßnahme zur Demokratieförderung?

JESSE: Ja, natürlich war die Schif demokratieförderlich. Wir haben Stimmen aus unterschiedlichen Ecken in den Prozess miteinbezogen, auch die aus der Schülerschaft. Schließlich sind ja wir SchülerInnen am meisten betroffen von den Ergebnissen der Schif. Die Goldenen Regeln, die wir erarbeitet haben, beziehen sich auf das Miteinander in der Schule, also auch auf die Art und Weise, wie wir SchülerInnen miteinander umgehen und wie wir mit den Lehrkräften zusammen lernen. Die Schule ist unser direktes Lebensumfeld!

Hr. PALS: Genau das war die Absicht! Schule ist ja viel mehr als ein Kollegium, zu Schule gehört auch die Schülerschaft und die Eltern. Wenn wir Lehrkräfte uns überlegen, wie wir in Zukunft arbeiten wollen, dann müssen wir alle mit einbeziehen, die mit dabei sind, egal ob groß oder klein, ob Mädchen oder Junge. Wir möchten diese Schule zu einem guten Lebensort machen. Die Eltern sollen mit unserer Schule zufrieden sein, die Schüler sollen gerne morgens in die Schule gehen. Wir wissen, dass der Lernerfolg maßgeblich vom Wohlbefinden der Lernenden abhängt. Genau dieses Wohlbefinden wollen wir fördern.

Herr Pals, wie bewerten Sie den Erfolg der Schif insgesamt?

Hr. PALS: Nach der Schif geht es nun an die Umsetzung der Ergebnisse. Die Goldenen Regeln stellen wir in den kommenden Tagen allen Gremien vor, also dem Kollegium, der Schülervertretung, dem Schulelternrat und dem Schulvorstand. Wir möchten, dass die Ergebnisse schnell umgesetzt werden und bringen die Goldenen Regeln deshalb bald vor die Gesamtkonferenz, die sich ja aus SchülerInnen, Eltern und KollegInnen zusammensetzt. Die Schif war nicht das Ende eines Prozesses, sondern der Anfang eines neuen Selbstverständnisses als Schule. Wenn die Ergebnisse erst in zwei Jahren sichtbar werden, verliert sich die Motivation aller. Die SchülerInnen können so Selbstwirksamkeit erfahren. So stärken wir Demokratiebildung hier im Haus. Aus diesem Grund gilt mein besonderer Dank an die erweiterte Steuergruppe aus LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern. Die SchülerInnen merken: Ich bringe mich ein und es verändert meine Welt. Diese Erfahrung ist gerade in diesen Zeiten wichtig, wo besonders reiche Menschen die Welt unter sich aufteilen.

Fr. LAMMERT: Diese Selbsterfahrung haben die SchülerInnen der Projektgruppe auch gemacht. Wir dachten ja am Anfang: Wir bestellen die Steine und verlegen sie dann. Nach und nach haben wir gelernt, dass unser historisches Projekt sehr politisch ist; das war nicht nur einfach. Dafür haben wir auch festgestellt, dass man nicht Politiker sein muss, um viel zu bewegen, gerade in der Kommunalpolitik. Es braucht kein politisches Amt, um Dinge anzustoßen.

Nun seid ihr, Jesse, Julius und Jonas, gleichzeitig ja auch in der SV. Welche Projekte konntet ihr im Interesse der SchülerInnen in diesem Jahr schon anstoßen?

JULIUS: In diesem Jahr haben wir bereits eine Mikrowelle für die Mensa angeschafft. Außerdem gibt es jetzt zwei große Uhren auf dem Schulhof, damit alle SchülerInnen während der Pause auch wissen, wie lange sie noch spielen können. Die SV hat außerdem die Juniorwahl zur Bundestagswahl mitorganisiert, bei der auch viele jüngere SchülerInnen mitgeholfen haben und SchülerInnen, die gar nicht in der SV sind. Am Tag der offenen Tür haben wir einen Infostand betreut und auch Verbesserungsvorschläge von zukünftigen Fünftklässlern entgegengenommen. Bei dieser kam heraus, dass viele jüngere SchülerInnen sich eine HobbyHorsing-AG wünschen. So ein Angebot möchten wir im kommenden Jahr mit der Unterstützung eines Bufdi umsetzen.

Fr. LAMMERT: Man muss betonen, dass viele von euch mehrere Ämter haben und sich nicht nur in der Projektgruppe, sondern auch im Schulvorstand und in der SV bzw. als Schülersprecher engagieren. Das ist toll! Hoffentlich gibt es weitere SchülerInnen, die bei der vielen Arbeit mithelfen möchten.

Hr. PALS: Genau so funktioniert Demokratie, innerhalb der Schule und außerhalb. Uns ist ja mit solchen Projekten nicht nur die Außenwirkung wichtig, die Arbeit der Projektgruppe hatte auch eine massive und positive Binnenwirkung. Wir am Gymnasium Sottrum identifizieren uns jetzt anders, wir agieren sprachsensibel und geschlechtersensibel. Die genderneutralen Toiletten, die wir vor einigen Jahren eingeführt haben, sind ein Beispiel für ein neues Miteinander, das auf gegenseitigem Respekt fußt. Diese Entwicklung hat auch die Projektgruppe angestoßen und jetzt verstärkt sie sich selbst. Es ist inzwischen Common Sense: An dieser Schule sind wir so, wir schätzen und schützen Diversität. Und genau dazu passen auch die Goldenen Regeln, die wir momentan umsetzen.

 

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